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Die etruskische Grammatik: Überblick



1.Die Beugung (=Flexion) der Haupt- und Eigenschaftswörter (=Substantive & Adjektive), d.h. Nominalflexion

Die Sphinx von ChiusiDas Etruskische ist eine flektierende Sprache; was bedeutet, dass für einen Fall (=Kasus) mehr als ein Ausdruck (=Endung, Ausgang) vorhanden sein kann, bzw. derselbe Ausdruck für mehr als einen Fall vorkommt (wie im Deutschen: des Herrn, den Hölzern, usw.). Es gibt im Etruskischen vier Fälle: Wer- (a), Wen- (b), Wes- (c) und Wo-Fall (d) (=Nominativ, Akkusativ, Genitiv, Lokativ); bei Nomina werden allerdings nur drei unterschiedlich ausgedrückt. Der Akkusativ kommt mit eigener Endung bei Pronominalformen und deren Zusammensetzungen vor. Als typisch für flektierende Sprachen gilt auch, dass zwischen der hier behandelten Nominalflexion (bei Substantiv & Adjektiv) und der Pronominalflexion (=Beugung der Fürwörter) Unterschiede auftreten: "(die/die) Mutter" und "(der/den) Vater" heisst ati bzw. apa, aber "ich" mi und "mich" mini. Der Genitiv lautet atial "der Mutter", apas "des Vaters" (c). Diese Genitivformen vertreten z.B. bei den Verben des Gebens den Dativ, der im Etruskischen keinen eigenen Ausdruck hat. Der sehr vielgestaltige und deshalb komplizierte Lokativ wird hier nur in den Grundzügen behandelt. Dabei spielen Postpositionen (z.B. -th(i) "in") eine wichtige Rolle. Die von manchen Forschern angesetzten zusätzlichen Fälle, wie 'Ablativ', 'Dativ', 'Pertinentiv', sind verkannte Lokative (d).

Das Etruskische kennt keinen Artikel; er wird deshalb hier bei den Übersetzungen in Klammern hinzugefügt. Als Entsprechung zu den Präpositionen anderer Sprachen kommen nur Postpositionen vor (d). Auch Bindewörter (=Konjunktionen) werden (hier durch = verdeutlicht) am Wortende angefügt: apa=c ati=c "sowohl Vater als auch Mutter; Vater und Mutter".



(a-b) Nominativ/Akkusativ

ca shuthi "dieses Grab" gegenüber cn shuthi cerichunce "dieses Grab errichtete (er)"; beim passiven Verb steht natürlich auch im Etruskischen der Nominativ: ich ca cecha zichuche "deshalb wurde dieser Vertrag geschrieben". Wir lernen dabei, dass die adjektivischen Pronomina voranstehen (ca cecha "dieser Vertrag"). mini muluvanice laris lethaies "mich gab/schenkte/stiftete Laris Lethaies"


(c) Genitiv

Er drückt den Besitz, die Zugehörigkeit und den Interessenten aus. mi suntheruza spurias mlakas "ich (bin die) Schatulle (der) schönen Spuria (für die schöne Sp.)". Das attributive Adjektiv (mlakas "schönen, guten") folgt seinem Substantiv.
Gelegentlich werden Nominalgruppen durch einen anderen Satzteil auseinandergerissen (='Sperrung', 'Hyperbaton'). mi spurias thina mlach mlakas "ich (bin der) schöne Krug (thina mlach) (der) schönen Spuria", mi velelias thina mlach mlakas "... (der) schönen Velelia (=Velelias ... mlakas)". itun turuce venel atelinas tin(i)as cliniaras "dies (itun Akkusativ) gab/weihte Venel Atelinas den Söhnen des Tinia (=Zeus/Juppiter)". Dieser Satz enthält dreimal eine Genitivendung, die jeweils unterschiedliche Funktion hat. In Südetrurien stehen Familiennamen der Männer (Lethaie-s, Atelina-s), auch wenn sie als Subjekt gelten, im Genitiv. Man muss sie in Abhängigkeit vom Vornamen (hier Venel Nominativ) sehen. Das indirekte Objekt (im Deutschen Dativ) cliniara-s "den Söhnen" wird vom Verb des Gebens (=turuce) gesteuert. Von cliniaras "Söhnen" ist wiederum das Genitiv-Attribut tinias "Zeus" abhängig, was den Begriff "Zeussöhne" (=Dioskuren, d.h. Castor und Pollux) ergibt.

Es gibt auch den Genitiv auf -l (das altetruskisch hinter -a geschwunden war): neuetruskisch atial "(der) Mutter". Die Verteilung der Endungen -l und -s hängt vom jeweiligen Wort ab. Wie man an den Beispielen sieht, hat sie nichts mit einem Unterschied von männlich, weiblich oder sächlich zu tun.
laives sukisnas "(des) Laive Sukisnas" : thanakvilus sucisnaia "(der) Thanakvil Sucisnai".


(d) Lokativ

Allein oder mit Postpositionen drückt der Lokativ Lage bzw. Nähe in Raum und Zeit aus. Die Endung -i ist manchmal unkenntlich.
Aritimi heisst "in Aritim (=Arretium, Arezzo)", thii "am, beim, im Wasser", tinsi tiuri=m "am Tag und im Monat (tiur)", shuthithi "im Grab", clth shuthith "in diesem G." (d.h. shuthi + -i + thi), capue "in, bei Capua", pershie "in, bei Perusia (Perugia)" (das -a verschmilzt mit -i zu -e!). Mit Ausnahme von tinsi liegt oben der 'einfache/primäre' Lokativ auf -i vor; es gibt jedoch auch den 'erweiterten/sekundären' mit -le (zu Wörtern mit Genitiv -l) bzw. -si (zu Genitiv -s). Die Bedeutung kann wie z.B. bei tinsi "am Tag" dieselbe sein; doch kommt sie häufiger -- besonders bei passiven Prädikaten -- als Täterbezeichnung (=Agens) vor. mi mulu larisale velchainasi "ich (bin/wurde) geschenkt von Laris Velchaina-s" Instruktiv für den Unterschied von Genitiv (in dativischer Funktion, "für") und Lokativ (in agentivischer Funktion, "von") ist: mi mulu arathiale thanachvilus prasanaia "ich (bin ein) Geschenk von Ara(n)th für Thanachvil Prasanai" (NHE, 175, Anm. 3).
Aranth, Laris, Genitiv Aranthia, Larisa (neuetruskisch Arnth(i)al, Larisal) sind Männervornamen, Prasanaia dagegen ist Genitiv eines Frauengentile (=Nachname); alle flektieren gleich, ohne Rücksicht auf Geschlechtsunterschiede.



2.Verbum / Zeitwort

Die Sphinx von ChiusiVorwiegend begegnen in Inschriften Formen der 3. Person (cesu "(ist/sind) bestattet"). Anderes ist unsicher (turis mi une ame "(dem) Turi werde/soll ich beim Giessen (une Lokativ) (dienlich) sein" (NHE, 306, Anm. 2).
Die Konstruktionen des Verbs (transitiv/intransitiv; aktiv/passiv) können, wie gezeigt, anhand der Kasusformen der dabeistehenden Nomina erkannt werden. In den Texten kommen meist Vergangenheitsformen vor. Die intransiven (lupu "(ist) gestorben") und passiven (mulu "geschenkt/Geschenk") sind eigentlich Verbalnomina und werden manchmal noch wie Nomina behandelt:
mi mulu lari(sa)le zili mlach (NHE, 227, D27) "ich (bin das) schöne Geschenk (mulu..mlach) des/von zil- (Adjektiv) Laris"
Das Etruskische darf aber deswegen nicht als sog. Ergativ-Sprache betrachtet werden.

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Die etruskischen Beispiele auf dieser Seite sind, wo nötig, stillschweigend korrigiert. Genaueres kann meinem Buch
Dieter H. Steinbauer, Neues Handbuch des Etruskischen, Scripta Mercaturæ Verlag, St. Katharinen 1999, ISBN 3-89590-080-X, entnommen werden.

Ein Aufsatz des Verfassers, "Zur Grabinschrift der Larthi Cilnei aus Aritim / Arretium / Arezzo"; in: ZPE 121 (1998), 263-281
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